Praxis in Hessen

eine Hebamme packt ihre Tasche

Stimme aus der Praxis

„Die Hessische Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen ist eine kleine Stadt. Derzeit befinden sich um die 13.000 Menschen dort. Die Unterbringung ist im Moment so geregelt, dass Männer in geheizten Zelten leben und Frauen Zimmer zur Verfügung gestellt werden. Diese sind mit vier bis sechs Personen belegt. Es wird versucht, Familien eigene Zimmer zur Verfügung zu stellen. Frauen mit Babys sollen in aller Regel nicht mit anderen Personen in einem Zimmer zusammengelegt werden.“ Antje Voß, Hebamme

Lesen Sie hier das vollständige Interview mit der Gießener Hebamme Antje Voß

Zuständig für die Leistungsgewährung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind die kreisfreien Städte und die Landkreise. Diese wird im allgemeinen so gehandhabt, dass das Einreichen der Rechnung über die erbrachte Hebammenleistung beim zuständigen Amt ausreicht. Dennoch weisen nahezu alle Ansprechpartner/-innen der zuständigen Behörden darauf hin, dass es sinnvoll ist, sich vor der Betreuung der Schwangeren bzw. jungen Mutter mit ihnen in Kontakt zu setzen, um zu klären, ob die Betroffene auch tatsächlich als „im Leistungsbezug“ registriert ist.

Pressemitteilung des Landesverbandes der Hessischen Hebammen vom 01.09.2016

Geflüchtete Frauen in Hessen bekommen kaum Zugang zu Hebammenhilfe

Landesverband der Hessischen Hebammen kritisiert Entscheidungen des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration als widersprüchlich zur geltenden Rechtslage

Seit über einem Jahr betreuen Hebammen in Hessen schwangere und frisch entbundene geflüchtete Frauen und ihre Kinder in den Erstaufnahmeeinrichtungen. Den Frauen stehen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz § 4 Abs. 2 die gleichen Leistungen zu wie gesetzlich versicherten Frauen in Deutschland. In der Praxis bekommen geflüchtete Frauen in Hessen jedoch kaum Hebammenhilfe. Wöchnerinnen erhalten beispielsweise nur vier statt der geltenden 32 Wochenbettbesuche von Hebammen auf Anordnung durch Staatsminister Grüttner. Vorsorgeuntersuchungen von Hebammen in der Schwangerschaft sind laut dieser Anordnung sogar nur nach einer Prüfung durch das Regierungspräsidium möglich. Dazu sollen Dokumente der Hebammen offengelegt werden, um einen Hilfebedarf einschätzen zu können. Dies widerspricht jedoch der Schweigepflicht der Hebammen laut ihrer geltenden Berufsordnung. Der Hebammenverband in Hessen sieht es für dringend geboten, dass geflüchtete Frauen aufgrund ihrer schwierigen und besonders schutzbedürftigen Lebenslage ihre gesetzlich verankerten Ansprüche auf Hebammenhilfe vollumfänglich erhalten und fordert das Hessische Sozialministerium auf, die Anordnung zurück zu nehmen.

Lesen Sie hier die komplette Pressemitteilung des Landesverbandes der Hessischen Hebammen

Kontakt vor Kostenübernahme

Das empfiehlt sich offenbar grundsätzlich vor Beginn einer Betreuung: Denn es gibt auch Behörden, z.B. Fulda, die einen schriftlichen Antrag auf Kostenübernahme verlangen. Frankfurt verfährt so:  Bei vorliegender Anspruchsberechtigung nach AsylbLG werden die betroffenen Frauen mit Krankenscheinen versorgt, um sich die notwendigen Hilfen verordnen zu lassen. Nach Genehmigung können die Leistungen dann abgerechnet werden. Auch hier gilt: Zweifelsfälle immer mit dem Amt klären, das den Behandlungsschein ausgestellt hat.

Stimme aus der Praxis

„Kolleginnen, die sich überlegen, mit geflüchteten Frauen zu arbeiten, sollten Selbstvertrauen und gute Nerven haben. Vieles ist völlig anders, als wir es kennen und deshalb ist es wichtig, flexibel und mutig zu sein, um die Andersartigkeit annehmen zu können.“ Antje Voß, Hebamme

Die Teilnahme geflüchteter Frauen in Geburtsvorbereitungskursen ist ein zweischneidiges Schwert: Obwohl dem Gesetz nach der Anspruch besteht, kann es sein, dass die Behörde eine Abgeltung der Kosten ablehnt, wenn diese Kurse auf Deutsch gehalten werden, doch die Frauen diese Sprache nicht sprechen. Hier ist es also dringend notwendig, sich vorher mit dem zuständigen Amt und deren Handhabung auseinanderzusetzen.

Wer übersetzt – und wer übernimmt die Kosten?

Dolmetscherleistungen werden in aller Regel nicht über die Behörde angefragt. Das Deutsche Rote Kreuz bietet jedoch oftmals einen Dolmetscherpool an, der über die Sozialbetreuung vor Ort in Anspruch genommen werden kann. Doch wie immer gilt es, nachzufragen. Der Landkreis Fulda beispielsweise kann auf einen Dolmetscherpool zurückgreifen, dem auch ehrenamtliche Dolmetscher_innen angehören, und übernimmt die Kosten der Übersetzer_innen. Frankfurt trägt die Kosten nach Einzelfallprüfung.

Stimme aus der Praxis

„Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich mir einen Runden Tisch wünschen. Klinik, Ärzte, medizinische Station, Sozialarbeiter und Hebammen sollten sich zusammensetzen und sich gemeinsam ein Konzept überlegen. Manche Ärzte wissen beispielsweise überhaupt nicht, wie die Versorgung mit Hebammenhilfe nach der Entlassung der jungen Mutter aus der Klinik weiter aussieht. Es muss einfach eine bessere Kommunikation zwischen allen Beteiligten herrschen.“ Antje Voß, Hebamme