Praxis

eine Hebamme packt ihre Tasche

Über Rechte aufklären

Obwohl rechtlich Asylsuchenden, anerkannten Flüchtlingen und Frauen mit Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen Hebammenhilfe nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zusteht, mangelt es in der Praxis oft an Transparenz. Die geflüchteten Frauen sind nur selten über ihre Rechte informiert, viele von ihnen haben eine Geschichte von Flucht und Verfolgung hinter sich, durch die sie sich häufig als rechtlos erfahren haben.

Stimmen aus der Praxis:

„Die geflüchteten schwangeren Frauen müssen selbstverständlich darüber informiert werden, dass ihnen Hebammenhilfe zusteht, sobald sie ankommen und klar ist, dass sie schwanger sind. Ärztebesuche werden immer initiiert bzw. organisiert. Ich erlebe oft, dass sie die Arbeit einer Hebamme überhaupt nicht kennen, deshalb ist hier Aufklärung nötig. Zum Beispiel könnte eine Hebammensprechstunde eingerichtet oder Hebammenbesuche für alle Schwangeren organisiert werden.“

Kati Köppe (Hebamme) – Lesen Sie hier das vollständige Interview mit Kati Köppe

Wichtige Rechte wie die freie Wahl des Geburtsortes und der Hebamme, für deren tatsächlichen Erhalt Hebammen, Frauen und Familien in Deutschland seit einiger Zeit aktiv sind, treten dabei oft in den Hintergrund. Hier braucht es vor allem gute und gründliche Aufklärung der Frauen. Ebenso wichtig ist es, in den Unterbringungen Rahmenbedingungen zu schaffen, die wenigstens ein Mindestmaß an Intimsphäre zulassen.

Stimmen aus der Praxis:

„Die Geburt findet in aller Regel im Krankenhaus statt. Nach meiner Erfahrung empfinden die Frauen das nicht als Beschränkung ihres Rechts auf freie Wahl des Geburtsortes, sondern sind erleichtert, in eine Klinik zu kommen. Sie erleben das als Luxus, denn sie sind das von ihren Heimatländern oft nicht gewohnt. Und die Unterkünfte, in denen sie als Geflüchtete leben, sind oft heruntergekommen, feucht und ungemütlich, so dass es sehr unangenehm wäre, dort ein Kind zu gebären.“

Sabine Pabel (Hebamme) – Lesen Sie hier das vollständige Interview mit Sabine Pabel

Geflüchtete Frauen bzw. (werdende) Mutter sind eine besonders vulnerable Gruppe in der Gesundheitsversorgung. Im Rahmen des Projekts „Geburtshilfliche Versorgung schwangerer Flüchtlinge“ befasst sich die Universität Bielefeld u.a. mit Versorgungsstrukturen und Akteuren in der Geburtshilfe in NRW. Das Projekt endete im März 2020.

Umgang mit FGM_C

FGM_C ist die Abkürzung für Female Genital Mutilation_Cutting = weibliche Genitalverstümmelung_Beschneidung.

Der Runde Tisch NRW gegen Beschneidung von Mädchen wurde bereits 2007 initiiert. In vierteljährlichen Treffen befassen sich die Teilnehmenden, u.a. Vertreter*innen der Community, Ministerien und Behörden, Organisationen und Verbände, damit, welche Schritte erforderlich sind, um weitere Beschneidungen zu verhindern und den betroffenen Frauen zu helfen.

Handlungskompetenzen stärken

Aus dem Runden Tisch NRW hat sich das Bildungsportal KUTAIRI (kisuahelisch für „Beschneidung“) entwickelt. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt mit der Beratungsstelle stop mutilation, um wichtige Informationen zum Thema für Beratende und Entscheider*innen zu recherchieren und aufzubereiten. Ein zweiter wesentlicher Ansatz ist die Vernetzung.

Erfahren Sie mehr auf der Website Kutairi – Bildungsportal für Kompetenz und Beratung

Das Familienplanungszentrum „Balance“ hat einen „Leitfaden für Hebammen zum Umgang mit FGM_C“ herausgegeben, um die Handlungskompetenz von Hebammen zu erweitern und zu stärken. Es geht zunächst darum, Grundlagenwissen zu FGM_C zu vermitteln und praktische Handlungsempfehlungen für Hebammen zu geben.

Ukraine

Infos und Links für die Arbeit mit geflüchteten Schwangeren oder Müttern aus der Ukraine

Das Material ist zum Teil in ukrainischer Sprache verfasst. Unsere Links verweisen auf Seiten mit weiteren wichtigen Arbeitshilfen.

Informationsblatt geflüchtete Schwangere/Mütter (deutsch)

Informationsblatt geflüchtete Schwangere/Mütter (ukrainisch)

Mutter-Kind-Stiftung (ukrainisch)

Weitere Links:

Asyl.net zur Gesundheitsversorgung

Bundesstiftung Mutter und Kind

siehe auch: Deutscher Hebammenverband „Hebammen für Geflüchtete“

Link- und Materialsammlung zum Thema Stillen und Geflüchtete

Der Deutsche Hebammenverband (DHV) hat eine Link- und Materialsammlung zum Thema „Stillen und Geflüchtete“ zusammengestellt.

Die Beauftragten für Stillen und Ernährung haben ein Dokument erstellt, das zum einen das „Joint Statement of Ministry of Health of Ukraine, Unicef Ukraine and WHO Country Office in Ukraine Concerning Support Necessary to Ensure Proper Infant and Young Child Feeding in Ukraine”, zum anderen Informationen in Englisch, Ukrainisch und Russisch für Stillende und für Menschen, die stillende Mütter in “schwierigen Situationen“ unterstützen, enthält.

Diese Informationen sind neben der Link- und Materialsammlung auf der Website des Deutschen Hebammenverbandes (DHV) zu finden

Praktische Tipps für die Abrechnung

Auch auf Seiten der Hebammen herrscht viel Verunsicherung bei diesem Thema. Um Ihnen einen Eindruck von der Praxis zu vermitteln, haben wir erfahrene Hebammen in den Jahren 2015 und 2018 interviewt. Außerdem finden Sie einige praktische Tipps für die Beantragung der Kostenübernahme bei der Betreuung von geflüchteten Frauen. Wenn Sie möglicherweise auf Schwierigkeiten bei der Abrechnung stoßen, können Sie sich auf die eindeutige rechtliche Regelung berufen.

Immer wieder kommt es vor, dass Behörden argumentieren, dass für die Erbringung von Leistungen gegenüber Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) eine ärztliche Anordnung notwendig sei. Grundsätzlich stimmt diese Aussage so nicht. Freiberufliche Hebammen arbeiten selbstständig und damit nicht auf ärztliche Anordnung (siehe hierzu grundlegend die RiLi 2005/36/EG, Art. 42 bzw. § 2 der Berufsordnung für Hebammen und Entbindungspfleger des Landes Nordrhein-Westfalen (Heb BO NRW). Eine ärztliche Anordnung wird auch bei gesetzlich Versicherten erst dann erforderlich, wenn mehr als die üblichen Leistungen, z.B. Wochenbettbesuche, geleistet werden. Der Deutsche Hebammenverband (DHV) hat auf den Hinweis einer Kollegin aus NRW ein Gutachten der  Rechtsanwälte Dres. Hirschmüller in Auftrag gegeben. Lesen Sie hier mehr ausführlich mehr. Damit Sie eine Argumentationshilfe zur Hand haben!

Stimmen aus der Praxis:

„Wünschenswert finde ich noch, mehr geflüchtete Frauen beispielsweise in Geburtsvorbereitungs- und Rückbildungskurse aufzunehmen, so wird auch der Kontakt zu Menschen vor Ort erleichtert. Das ist etwas, was wir HHebammen in der Hand haben, und ich habe gute Erfahrungen damit gemacht.“

Sabine Pabel (Hebamme)

Lesen Sie hier das neue Interview mit Sabine Pabel aus 2018

Sind Sie bereit?

Auch wenn Sie ehrenamtlich arbeiten, empfehlen wir Ihnen dringend, haftpflichtversichert zu sein! Lesen Sie ausführlich hier mehr dazu. Dort finden Sie auch Informationen zum Thema Unfallversicherung.

  • Hebammen, die über die Berufshaftpflicht des DHV versichert sind, sind auch in ihrer ehrenamtlichen hebammenfremden Tätigkeit haftpflichtversichert. Die gute Nachricht: Das gilt auch für diejenigen, die lediglich die Privathaftpflicht über den Verband haben.
  • Wie sieht Ihr Setting als freiberufliche Hebamme aus? –  Meldung bei der unteren Gesundheitsbehörde, Meldung bei der BGW, IK-Nummer, BfA?
  • Vernetzung und die Mitgliedschaft in einem Berufsverband bieten Ihnen Unterstützung bei Ihrer Arbeit.
  • Ihre kultursensible und traumasensible Haltung ist wesentlich.

Stimmen aus der Praxis:

„Mir ist eine gute Informationspolitik vor Ort bei den Flüchtlingen wichtig. Sie benötigen Broschüren in ihren Sprachen mit den wichtigsten Daten und Fakten zu ihrem Aufenthalt in Deutschland. Sie müssen wissen, welche Rechte ihnen zustehen, brauchen Listen mit Hebammen und Hinweise, an wen sie sich wenden können, wenn sie Unterstützung benötigen. Unsere Gesellschaft muss für die Situation der Geflüchteten sensibilisiert werden, mehr Aufmerksamkeit und Empathie ist gefragt. Und schließlich brauchen wir einen Mindeststandard an Gesundheitsversorgung in Deutschland. Wer glaubt, dass wir ihn bereits haben, irrt. Ich erlebe häufig das Gegenteil.“

Sabine Pabel (Hebamme)