Einführung der Gesundheitskarte schleppt sich dahin
Seit Oktober 2015 können die Landesregierungen Rahmenvereinbarungen zur Einführung der elektronischen Gesundheitskarte mit gesetzlichen Krankenkassen abschließen. Dadurch würde der Zugang von Asylsuchenden zur Gesundheitsversorgung erleichtert. Zugleich könnten erhebliche Kosten eingespart werden. Eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass das Projekt trotzdem zu scheitern droht. Der Grund: Finanzierungsfragen.
Laut Asylbewerberleistungsgesetz haben Asylsuchende einen Anspruch auf die Behandlung akut auftretender Erkrankungen und Schmerzzustände. Zudem erhalten werdende Mütter ärztliche und pflegerische Hilfe und Betreuung, Hebammenhilfe sowie Arznei-, Verband- und Heilmittel. Halten sich Asylsuchende länger als 15 Monate ohne nennenswerte Unterbrechung in Deutschland auf, erhalten sie eine elektronische Gesundheitskarte (eGK) einer gesetzlichen Krankenkasse ihrer Wahl. Damit können sie ohne Leistungseinschränkungen das deutsche Gesundheitssystem nutzen.
Länder und Kommune können entscheiden
Durch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz wird die Einführung der eGK für Asylsuchende auf Länderebene erleichtert. Den Landesregierungen ist es möglich, die gesetzlichen Krankenkassen zum Abschluss eines Rahmenvertrags für die Einführung der eGK zu verpflichten. Den Ländern ist es allerdings freigestellt, ob sie dieses Instrument nutzen oder nicht. Zudem liegt es im Verantwortungsbereich der Kommunen, ob sie einem solchen Rahmenvertrag, wenn er auf Landesebene ausgehandelt wird, beitreten möchten.
Die Bertelsmann-Stiftung hat jetzt eine Studie zur Einführung der Gesundheitskarte für Flüchtlinge und Asylsuchende veröffentlicht. Das Fazit: Die Einführung der Gesundheitskarte droht an Finanzierungsfragen zu scheitern. Im einzelnen stellt sich die Situation laut dieser Untersuchung in den Bundesländern der an diesem Website-Projekt beteiligten Landesverbände folgendermaßen dar:
Baden-Württemberg
Die Landesregierung in Baden-Württemberg befürwortet die Einführung der Gesundheitskarte für Flüchtlinge. Es soll eine Rahmenvereinbarung mit allen gesetzlichen Krankenkassen im Bundesland geschlossen werden. Die AOK Baden-Württemberg hat der Landesregierung bereits einen ersten Entwurf für eine Rahmenvereinbarung zugestellt.
Hessen
Die hessische Landesregierung hält in ihrem „Aktionsplan zur Integration von Flüchtlingen und Bewahrung des gesellschaftlichen Zusammenhalts“ fest, dass sie die neuen rechtlichen Möglichkeiten zur Einführung einer eGK für Asylsuchende nutzen möchte. Ein Zeitpunkt für die Einführung der Gesundheitskarte wurde aber nicht genannt. Die Landesregierung geht nicht von einer landesweiten Umsetzung im Jahr 2016 aus.
Nordrhein-Westfalen
NRW hat als erstes Flächenland die Gesundheitskarte für Flüchtlinge eingeführt. Die Rahmenvereinbarung zwischen der Landesregierung und den Krankenkassen zur Übernahme der Gesundheitsversorgung für Asylsuchende gegen Kostenerstattung nach § 264 SGB V wurde am 28. August 2015 unterzeichnet (MGEPA 2015c). In Nordrhein-Westfalen kann jede Kommune selbst entscheiden, ob sie dem oben genannten Rahmenvertrag beitreten will. Insgesamt haben bisher (Stand März 2016) rund 20 Gemeinden ihren Beitritt zur Rahmenvereinbarung erklärt. Ab 1. April 2016 können Geflüchtete nun auch in Düsseldorf mit Gesundheitskarte zum Arzt gehen.
Thüringen
Die Einführung der eGK für Asylsuchende war in Thüringen für das erste oder zweite Quartal 2016 geplant. Doch es gab noch reichlich Verhandlungsbedarf mit den Verbänden der gesetzlichen Krankenkassen. Geklappt hat es schließlich mit der Einführung am 01.01.2017.
Bedenken wegen Kosten
Insgesamt verläuft die Einführung der Gesundheitskarte bisher sehr schleppend. Grund dafür sind offenbar Finanzierungsfragen. Die Kommunen befürchten, dass durch die Regelung Mehrkosten entstehen könnten. Dabei zeigt eine kürzlich veröffentlichte Studie, dass die Kosten im Gesundheitssystem dadurch deutlich gesenkt werden könnten. Die Wissenschaftler haben Daten des Statistischen Bundesamtes der Jahre 1994 bis 2013 ausgewertet. Das Ergebnis: Wenn Asylsuchende ohne bürokratische Hürden und ohne Leistungseinschränkungen Regelversorger wie Allgemein-, Haus- und Kinderärzte aufsuchen dürfen, sind die Gesundheitsausgaben niedriger. Unter den Bedingungen eines gleichen Zugangs für alle Asylsuchenden hätten die Gesamtausgaben für die medizinische Versorgung der vergangenen 20 Jahre um circa 22 Prozent gesenkt werden können. Zudem könnten auch die Verwaltungsausgaben gesenkt werden. Am Beispiel von Hamburg lässt sich eine spürbare Kostenersparnis belegen: Hier konnten ca. 1,6 Millionen € eingespart werden.