Hebammenhilfe für Geflüchtete – hochaktuell

familie mit Baby

Was Sie unbedingt wissen müssen

  • Laut Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) haben Asylbewerberinnen, Geflüchtete und Illegalisierte grundsätzlich Anspruch auf Hebammenhilfe vor, während und nach der Geburt. Ihre Leistungen werden bezahlt!
  • Solange die Gesundheitskarte in Ihrer Stadt oder Kommune noch nicht eingeführt ist, erfolgt die Abrechnung mit der jeweils zuständigen Behörde (meist das örtliche Sozialamt). Es gibt keine einheitliche Regelung für die Kostenübernahme – bitte informieren Sie sich vorher.
  • Die Unterkünfte sind häufig überfüllt und die hygienischen Bedingungen ungenügend – kein Rückzugsort für Untersuchungen oder eine Geburt. Die meisten Frauen empfinden daher das Krankenhaus als sicheren Ort für die Entbindung, an dem sie sich gut versorgt fühlen.
  • Alle geflüchteten Menschen haben extrem schwierige und bedrohliche Erlebnisse hinter sich, die wir kaum nachempfinden können. Hinzu kommen kulturelle Unterschiede, die einen sensiblen Umgang erfordern.
  • Lassen Sie sich nicht entmutigen! Gerade geflüchtete Frauen brauchen eine einfühlsame und an ihren Bedürfnissen orientierte Begleitung bei Schwangerschaft und Geburt. Wer kann das besser als eine Hebamme?

Eine Website- dauerhaft aktuell

Aufgrund konkreter Erfahrungen sehen wir als Landesverband der Hebammen NRW einen großen Bedarf an Aufklärung über Hebammenhilfe bei Geflüchteten, Asylsuchenden und -berechtigten, Geduldeten und illegalisierten Menschen. Unter denjenigen, die sich entscheiden, ihre Heimat zu verlassen, um in Deutschland Asyl zu beantragen oder als Geflüchtete anerkannt zu werden, gibt es zahlreiche schwangere Frauen. Einige von ihnen haben noch keine Vorsorge erfahren und brauchen möglichst schnell Hilfe. Andere Frauen haben ihre Kinder auf der Flucht geboren – ohne Grundversorgung.

Der Bedarf an Hebammenhilfe ist groß, unabhängig davon, wie hoch die Zahl der Geflüchteten derzeit ist und wie sie sich zukünftig entwickeln wird. Allerdings ist es aus verschiedenen Gründen nicht immer möglich, dem gerecht zu werden. Auf der einen Seite gibt es bürokratische Hürden sowie Unwissen über die rechtliche Situation bei den geflüchteten Frauen und in den Unterbringungseinrichtungen. Auf Seiten der Hebammen herrscht nicht selten Verunsicherung, ob und wie den Frauen geholfen werden kann.

Recht auf Hebammenhilfe

Dabei ist die die humanitäre Grundlage denkbar einfach: Jeder Mensch hat ein Recht auf medizinische Versorgung! – und damit jede Schwangere und Mutter bis zu einem Jahr nach der Geburt auch ein Anrecht auf Hebammenhilfe. Dementsprechend besteht laut Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) grundsätzlich ein Anspruch auf medizinische und pflegerische Leistungen bei Schwangerschaft und Entbindung inklusive Hebammenhilfe. So weit, so einfach. In der Praxis gestaltet sich das allerdings nicht immer so übersichtlich.

Die Recherche in Gesetzestexten, bei Ämtern und bei Flüchtlingsorganisationen hat uns deutlich gemacht, dass die unterschiedlichen Aufenthaltsstatus und die damit verbundene rechtliche Situation nicht immer leicht voneinander zu unterscheiden sind. Dabei ist der Aufenthaltsstatus entscheidend für die praktische Ausgestaltung der Versorgung mit und die Abrechnung von Hebammenhilfe. Insbesondere die Versorgung und Betreuung von Illegalisierten erfordert fundierte Kenntnisse und ggf. die Unterstützung von Expertinnen und Experten, deren Kontaktdaten auf der Website zu finden sind.

Um Hebammen handlungsfähig zu machen, haben wir auf dieser Website wesentliche Daten und Fakten zusammengestellt, die grundlegenden gesetzlichen Regelungen recherchiert und wichtige Anlaufstellen aufgelistet. Darüber hinaus finden sich Tipps für die Praxis und Antworten auf wichtige Fragen. Wir möchten damit auch an alle Hebammen appellieren, geflüchteten Schwangeren und jungen Müttern zu helfen und sich nicht durch Bürokratie, organisatorische Hürden oder Unwissen beirren zu lassen.

Gesundheitskarte für Flüchtlinge

Durch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz wird die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte für Asylsuchende auf Länderebene ermöglicht. Die Landesregierungen entscheiden, ob sie die gesetzlichen Krankenkassen zum Abschluss eines Rahmenvertrags für die Einführung der eGK verpflichten. Es liegt  im Verantwortungsbereich der Kommunen, ob sie einem solchen Rahmenvertrag beitreten möchten. Leider haben sich die Hoffnungen, die mit der Gesundheitskarte verbunden waren, bislang nicht erfüllt. Die Einführung schleppt sich dahin und in manchen Bundesländern ist sie mittlerweile ganz vom Tisch.

Die Teilnahme der Gemeinden an der Rahmenvereinbarung ist nicht verpflichtend. Jede einzelne Gemeinde entscheidet selbst, ob sie teilnehmen will. Kommunen, die der Vereinbarung über die eGK beitreten, können künftig für die ihnen zugewiesenen Flüchtlingen sofort bei einer gesetzlichen Krankenkasse eine Gesundheitskarte beantragen, die eine Inanspruchnahme medizinischer Hilfe ohne bürokratische Umwege ermöglicht.

Der Umfang der gesundheitlichen Versorgung ist bundesgesetzlich geregelt (vgl. § 4 Abs 2 AsylblG für Hebammenhilfe). Für die Ausführung sind die Städte und Gemeinden zuständig (Gesetz zur Ausführung des AsylbLG); das Land beteiligt sich an den Kosten für Aufnahme und Unterbringung über eine pauschale Landeszuweisung und im Einzelfall bei außergewöhnlich hohen Behandlungskosten. Die Rahmenvereinbarung erspart den Kommunen Einzelverhandlungen mit den Kassen und reduziert den Verwaltungsaufwand.

Vorbild Bremer Modell

Die egK orineriert sich an dem sogenannten „Bremer Modell“: Seit 2005 (!) erfolgt in Bremen die Krankenbehandlung für Leistungsberechtigte nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in den ersten 15 Monaten ihres Aufenthalts in Deutschland auf der Basis eines Vertrages nach § 264 Abs. 1 SGB V zwischen Sozialbehörde und der AOK Bremen/Bremerhaven. Seit Juli 2012 folgt auch Hamburg diesem Modell. Asylsuchende und Geduldete erhalten eine Krankenversicherungskarte und haben genauso wie gesetzlich Versicherte den direkten Zugang zu ambulanten Behandlungen, d.h. ohne vorherige Ausstellung eines Berechtigungsscheines durch die Kommune. Der Umfang des Leistungsanspruchs ergibt sich aus §§ 4 und 6 AsylbLG. Vertraglich ist jedoch festgelegt, dass grundsätzlich das Leistungsspektrum des SGB V gilt, soweit nicht ausdrücklich Ausnahmen vereinbart sind. Die entstandenen Behandlungskosten sowie eine Verwaltungspauschale (ca. 125 € pro Person und Jahr) werden der Krankenkasse erstattet.

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